"... von seiner Capacitaet urtheilen wird"

300 Jahre Akademie der Künste

Dokument herunterladen (1K)
Artikel herunterladen

Das Wort "Akademie" kommt aus dem Altgriechischen und bezeichnet eine Einrichtung zur Förderung wissenschaftlicher oder künstlerischer Studien. Ursprünglich führte diesen Namen die Schule des griechischen Philosophen Platon (427-347 v. Chr.). Sie war benannt nach dem Garten des Academos, einem mit Anlagen versehenen, an der nördlichen Seite der Stadt Athen gelegenen Platz, in dem jeder nach Belieben seine Vorträge halten konnte.

Bereits 1498 gab es in Rom die "Accademia antiqua", die sich der Erforschung italienischer Altertümer widmete. Im Jahre 1635 gründete in Paris Kardinal Richelieu (1585-1642) die "Académie francaise" mit dem Ziel, französische Sprache und Dichtung zu pflegen. Auf deutschem Boden jedoch gab es bis Ende des 17. Jahrhunderts nichts Vergleichbares. Erst 1695 beauftragte Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, der ab 1701 den Namen "König Friedrich I. in Preußen" führte, den berühmten Baumeister Johann Arnold Nering (1659-1695), den Südflügel des Unter den Linden gelegenen Marstalls um ein Geschoß aufzustocken. Auf diese Weise sollte Platz für die neu zu gründende Akademie der Künste geschaffen werden.

Im kurfürstlichen Gründungsstatut steht geschrieben, daß es um die "nützliche Fortpflanzung aller Künste und Wissenschaften" gehe und "wann jemand der Academie incorporiret und Freyheit haben wil, sich selbiger Privilegien und Prärogativen zu gebrauchen, sol er sich deßfalls bey dem Directore angeben, welcher nach gehaltener Konferenz, mit denen Academischen Mitgliedern, von seiner Capacitaet urtheilen wird".


Der erste große Auftrag: Neubau des Stadtschlosses

De facto ging es dem Kurfürsten darum, prominente Künstler um sich zu versammeln, die bereit und in der Lage waren, seine Residenz zu verschönen. Dazu waren bildende Künstler am ehesten in der Lage, denn mit prachtvollen Palästen, Denkmälern und Gemälden ließ sich Preußens Größe am besten demonstrieren. Alle Welt sollte erkennen, welcher Kunstverstand den Herrscher auszeichnete und wie großzügig er seine Stadt ausbaute. Auch Kurfürst Friedrich III. gehörte also zu jenen Persönlichkeiten der Geschichte, die sich mit ihren Bauten schon zu Lebzeiten ein Denkmal setzen wollten. Und so war denn auch der erste große Auftrag an die Akademie der Neubau des Berliner Stadtschlosses. Als Baumeister wurde kein Geringerer als Andreas Schlüter bestellt.

Mit dem Gründungsdatum der Akademie der Künste ist es ein wenig kompliziert: Im Jahre 1695 erging der Bauauftrag, und es wurde auch bereits der erste Direktor, der aus der Schweiz stammende kurfürstliche Hofmaler Joseph Werner (1637-1710), ernannt. Als offizieller Stiftungstag gilt aber allgemein der 11. Juli 1696. Das Gründungsstatut schließlich verfaßte der Kurfürst 1699, wobei er allerdings den Arbeitsbeginn der Institution um drei Jahre zurückdatierte.

In den ersten hundert Jahren wurden nur Maler, Bildhauer, Architekten, Kupferstecher und Goldschmiede aufgenommen: Andreas Schlüter (1660-1714), Antoine Pesne (1683-1757), Daniel Chodowiecki (1726-1801), Carl Friedrich Fechhelm (1725-1785), Anton Graff (1736-1813) oder Karl von Gontard (1731-1791) haben das Gesicht Preußens und seiner Residenz maßgeblich geprägt.

Erst 1786 erschien der erste Dichter: Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803), gefolgt von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), Johann Gottfried Herder (1744-1803) und Christoph Martin Wieland (1733-1813) im Jahre 1789.


Die Brüder Humboldt wurden Ehrenmitglieder

Der erste Musiker war 1806 Carl Friedrich Zelter (1758-1832), Direktor der Berliner Singakademie, Komponist, Musikwissenschaftler, Professor und enger Freund Goethes. Wilhelm von Humboldt (1767-1835), der Begründer der Berliner Universität, hatte sich beim König für die Aufnahme Zelters als Akademiemitglied eingesetzt. Wilhelm und sein Bruder Alexander von Humboldt (1769-1859) wurden 1820 bzw. 1829 zu Ehrenmitgliedern berufen.

Schließlich gründete man dann 1833 eine separate Musikabteilung und dort folgten unter anderen Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847), Giacomo Meyerbeer (1791-1864), Carl Friedrich Rungenhagen (1760-1851) und Gasparo Spontini (1774-1851). Später kamen dann Cherubini (1760-1842), Spohr (1784-1859), Loewe (1796-1869), Grell (1800-1886), Liszt (1811-1886), Rossini (1792-1868), Berlioz (1803-1869), Marschner (1795-1861), Nicolai (1810-1849) und Wagner (1813-1883). Auch das Jahr 1874 war für die Musikabteilung bedeutungsvoll, denn man gewann Johannes Brahms (1833-1897), Niels Wilhelm Gade (1817-1890) und Joseph Joachim (1831-1907). Schließlich erschienen so klangvolle Namen wie Grieg (1843-1907), Humperdinck (1854-1921), Dvorak (1841-1904), Puccini (1858-1924), Sibelius (1865-1957) und Richard Strauss (1864-1949). Auch Tschaikowski war Mitglied, aber das Ernennungsjahr kann leider nicht mehr ermittelt werden.

Interessant ist, wie sich die Akademie für die Förderung aufstrebender Talente einsetzte. Der später so berühmte Karl Friedrich Schinkel (1781-1841), wohl der bedeutendste Baumeister Preußens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wurde bereits 1811 Mitglied. Wenn man bedenkt, daß er seine Neue Wache, die Schloßbrücke oder das Schauspielhaus erst später erbaute, so ist man geneigt, seine Aufnahme als eine kluge und weitsichtige Entscheidung zu werten.

Das Mitgliederverzeichnis, das die Jahrgänge 1695 bis 1932 umfaßt, zeigt, wie sich die Akademie gern mit ausländischen Namen sowie mit Ehrenmitgliedern schmückte. Zu letzteren gehörten neben den schon erwähnten Brüdern Humboldt die preußischen Staatsmänner Karl Freiherr vom und zum Stein (1757-1831) und Karl August Fürst von Hardenberg (1750-1822), Prinz Wilhelm von Preußen, der spätere König bzw. Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) und Wilhelm Friedrich Karl von Redern (1802-1883), Generalintendant der Königlichen Theater.


Nur 29 Frauen unter 1.150 Mitgliedern

Im wesentlichen war die Akademie der Künste eine reine Männergesellschaft. Unter den rund 1.150 Namen des Verzeichnisses finden sich lediglich 29 weibliche. Zieht man davon noch die adligen Ehrenmitglieder ab, so bleiben 15 Frauen, die wirklich ihrer künstlerischen Verdienste wegen gewählt wurden. Die erste war 1786 Isabella Czartoriska, eine geborene Gräfin Flemming (1743-1835), Sammlerin polnischer Altertümer. Es folgten 1806 drei Kunststickerinnen. Heute noch geläufige Namen erschienen erst im 20. Jahrhundert: 1919 die Grafikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz (1867-1945), 1926 die Schriftstellerin und Kulturhistorikerin Ricarda Huch (1864-1947) und 1931 die Bildhauerin René Sintenis (1888-1965).

Wenn man sich auf das 300. Jubiläum der Akademie der Künste vorbereitet, gilt es auch, dreier Jahrhunderte wechselvoller deutscher und europäischer Geschichte zu gedenken. Zunächst kurfürstliche, dann preußisch-königliche, republikanische, faschistische, demokratische und bis zur deutschen Wiedervereinigung getrennt agierende Akademien - fürwahr ein langer Weg bis hin zur heute ebenfalls wieder geeinten Akademie der Künste Berlin-Brandenburg.

Was die Zeit der Weimarer Republik und des aufkeimenden Nationalsozialismus betrifft, so liegen auch für diese Periode eine Reihe von Sitzungsprotokollen vor. Sie stellen sehr eindeutig unter Beweis, daß die Nationalsozialisten die Akademie und deren Mitglieder gleichschalten und mißliebige, vor allem jüdische Künstler verdrängen wollten. Am 16. Juni 1933 behandelte man die "Judenfrage", am 29. Juni die "Überwachung der Konzertprogramme im Reich" und am 13. November 1933 die "Mißstände im Rundfunk". Bereits im Februar waren aus politischen Gründen Käthe Kollwitz und Heinrich Mann (1871-1950) ausgetreten. Ein Erlaß von 1937 strich dann eine große Zahl hervorragender deutscher Künstler als Mitglieder, darunter Arnold Schönberg (1874-1951), Franz Schreker (1878-1934), Leonhard Frank (1882-1961) und Bernhard Kellermann (1879-1951). Viele verließen, um einem Hinauswurf zuvorzukommen, auf eigenen Wunsch die im Sinne des Nationalsozialismus formierte Preußische Akademie der Künste: Otto Dix (1891-1969), Max Liebermann (1847-1935), Ludwig Mies van der Rohe (1886-19699, Alfred Döblin (1878-1957), Thomas Mann (1875-1955) und viele andere.


Über dem Königlichen Marstall, auf der Neustadt

Werfen wir nun noch einen Blick auf die Gebäude, Straßen und Plätze, die die Akademie seit ihrer Gründung beherbergten. Das erste Domizil im Marstall Unter den Linden, begonnen 1695 und fertiggestellt 1697, bot insgesamt sechs Unterrichts- und Versammlungsräume. Ein Brand im Jahre 1743 verwüstete das Gebäude, so daß die akademischen Veranstaltungen für längere Zeit in den Wohnungen der Mitglieder stattfinden mußten. Erst 1770 waren die alten Räume wieder nutzbar. Die Adresse lautete erneut "In den Zimmern der Königlich Preußischen Academie der Künste über dem Königlichen Marstall, auf der Neustadt". Entsprechend ihrer wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung breitete man sich Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts räumlich weiter aus. 1810 genügte die Ortsangabe "in den Sälen des Akademiegebäudes auf der Neustadt". Für das Straßenkarree Unter den Linden, Universitäts-, Charlotten- und Dorotheenstraße bürgerte sich die Bezeichnung "Akademieviertel" ein. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts wurde der Abriß des gesamten Gebäudekomplexes zugunsten eines Neubaus für die Königliche Bibliothek, die spätere Staatsbibliothek, beschlossen. 1902 kam die Akademie vorübergehend in die ehemaligen Räume der Musikhochschule in der Potsdamer Straße 120. 1906 wurde das Palais Arnim-Boitzenburg am Pariser Platz neuer Amtssitz, nachdem Ernst von Ihne, der Architekt der Königlichen Bibliothek, dieses von Karl Heinrich Eduard Knoblauch (1801-1865) errichtete Gebäude für die Akademie umgebaut hatte. Die Heimstatt in unmittelbarer Nachbarschaft des Brandenburger Tores wurde von der Fachwelt als zweckmäßig, gut ausgestattet und übersichtlich gelobt. Aber schon 1937 drohte ein weiterer Umzug. Albert Speer (1905-1981), Hitlers übermächtiger Generalbaudirektor, beanspruchte das Palais am Pariser Platz für seine Behörde und verlangte den Auszug der Akademie. Die wechselte in der Folgezeit mehrmals ihre Anschrift: In den Zelten 9 a, Beethovenstraße 3 und Schadowstraße 6/7. Im Jahre 1938 zog man ins ehemalige Kronprinzenpalais Unter den Linden, wo man bis zum Bombenangriff vom 18. März 1945 blieb.

Die Teilung Berlins bewirkte auch eine Teilung in eine Akademie West und eine Akademie Ost. Letztere fand 1950 ihren Sitz am Robert-Koch-Platz im Bezirk Mitte. Für die Westberliner Akademie schuf Werner Düttmann 1959/60 einen Neubau am Hanseatenweg im Bezirk Tiergarten.

Nach der Wiedervereinigung zu einer einheitlichen Akademie der Künste reifen nun auch Pläne zu einem repräsentativen Neubau, in dem die Abteilungen Bildende Kunst, Baukunst, Musik, Literatur, Darstellende Kunst und Film- und Medienkunst ihre Heimstatt finden sollten. Präsident Walter Jens (geb. 1923) teilte mit, daß der Grundstein für das neue Gebäude, das wiederum am Pariser Platz errichtet werden soll, zum 300. Jubiläum im Jahre 1996 gelegt wird. Die Fertigstellung des 80 bis 90 Millionen teuren Projekts ist für 1998 vorgesehen. Noch streitet man sich um das architektonische Konzept. Es gibt unterschiedliche Vorstellungen, vor allem hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes. Die Akademie möchte einen Entwurf realisieren, der eine Synthese aus Glas und Stahl beinhaltet und sich in das künftige Gesamtbild des Pariser Platzes einordnet.

In unmittelbarer Nähe des Brandenburger Tors, des neuen Hotels Adlon, der Botschaften der USA, Großbritanniens und Frankreichs, des Hauses Liebermann und mehrerer Banken wird die neue Akademie der Künste ein wichtiges Begegnungszentrum in der Haupstadt Berlin sein.

Horst Fliegel


Quellen:

Preußische Akademie der Künste, Mitgliederkartei 1695-1932 (Archiv)

Protokolle der Senatssitzungen und Plenarversammlungen der Preußischen Akademie der Künste (Archiv)


Erschienen in "Berlinische Monatsschrift", Luisenstädtischer Bildungsverein e. V., Juni 1995