Clara Wieck

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Biographische Notizen zur bedeutendsten Pianistin des 19. Jahrhunderts. Viele Jahre ihrer langen Künstlerlaufbahn verbrachte sie in Berlin. Sie wohnte hier, feierte Erfolge in den Konzertsälen, komponierte und widmete sich ihrer Familie sowie den zahlreichen Verehrern ihrer Kunst. Berlin war ein Stück ihres Lebens.

Clara Josephine Wieck wurde am 13. September 1819 in Leipzig als zweites Kind des Musikpädagogen und Klavierhändlers Friedrich Wieck (1785-1873) und dessen Frau Marianne, geb. Tromlitz (1797-1872) geboren. Bereits fünfjährig erhielt Clara vom Vater Klavierunterricht. Er war ein ehrgeiziger Lehrer, der in späteren Jahren hohes Ansehen genoss, aber auch als hart und unnachgiebig galt. Sein Haus war stets offen für musikalische Soireen, die häufig von prominenten Persönlichkeiten besucht wurden. Unter Wiecks zahlreichen Schülern befand sich der aus Zwickau stammende Robert Schumann (1810-56), den wir heute als einen der führenden Komponisten der deutschen Romantik und als brillanten Musikschriftsteller verehren. Es war also gewissermaßen vorbestimmt, dass Clara und Robert einander näher kennen lernten, gemeinsam musizierten und auch die Übereinstimmung ihrer musikalischen und ästhetischen Ansichten feststellten. Und ganz allmählich geschah das, was kommen musste: die beiden wurden ein Liebespaar. Vater Wieck sah dies mit großem Misstrauen, rechnete er doch vielleicht nicht ganz zu Unrecht damit, dass zwei Verliebte mehr an sich selbst als an die musikalischen Pflichten denken würden. Dies wäre aber seinen Plänen, Tochter Clara betreffend, ganz und gar nicht förderlich gewesen. Und so trat Friedrich Wieck energisch gegen die Verbindung der beiden auf. Zermürbende Kämpfe begannen, die schließlich zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung führten. Im Ergebnis gab es 1840 die staatliche Zustimmung zur Eheschließung von Clara Wieck und Robert Schumann. Die beiden heirateten und wurden ein berühmtes Künstlerpaar, das im Musikleben des 19. Jahrhunderts eine überragende Rolle spielte.

Aber gehen wir der Reihe nach. Neben der Ausbildung am Klavier erteilte der Vater seiner Tochter Clara auch Unterricht in musiktheoretischen Fächern, vor allem in Harmonielehre und Komposition. Dadurch war sie bald in der Lage, in jede beliebige Tonart zu modulieren und frei über vorgegebene Themen zu improvisieren. Die theoretischen Studien setzte sie in der Folgezeit bei dem Thomaskantor Weinlig sowie bei Dorn und Reißiger fort. Was aber die Ausbildung am Klavier betrifft, so blieb der Vater zeitlebens ihr einziger Lehrer. Ihre erste Komposition war im Jahre 1830 das Lied “Schwäne kommen gezogen”. Zuvor hatte sie am 9. September 1827, also wenige Tage vor Ihrem achten Geburtstag, in einer Konzertprobe vor geladenen Gästen Mozarts Konzert für Klavier und Orchester in Es-Dur gespielt. Ihr eigentliches Debüt als Pianistin war dann im Februar 1828 anlässlich einer musikalischen Abendunterhaltung im Hause Wieck der Vortrag von vier Schubert-Polonaisen, die sie gemeinsam mit dem Vater an zwei Klavieren spielte. Am 20. Oktober 1828, im Alter von neun Jahren, trat sie erstmals im Leipziger Gewandhaus auf, und zwar im Rahmen eines Konzertes der Grazer Pianistin Ernestine Perthaler. Ihr erstes eigenes Gewandhauskonzert bestritt sie am 8. November 1830. An diesem Abend stellte sie auch erstmals eine eigene Komposition vor, ihre “Variationen über ein Originalthema”. Spätestens mit diesem Abend begann ihre beispiellose Karriere als Pianistin, umjubelt in den Konzertsälen fast aller europäischen Länder.

Im September 1831 traten Vater und Tochter eine große Tournee an, die sie zum 82-jährigen Goethe nach Weimar, nach Gotha, Arnstadt und Kassel, wo sie vom damals sehr populären Komponisten Louis Spohr ein hervorragendes Zeugnis für ihre pianistischen Fähigkeiten erhielt, über Frankfurt a. M. und Mainz nach Paris führten. In der französischen Metropole lernte sie so berühmte Persönlichkeiten wie Berlioz, Meyerbeer und Chopin kennen. 1835 führte sie ihr Louis Spohr gewidmetes Klavierkonzert erstmals auf. Sie musizierte häufig gemeinsam mit Ignaz Moscheles (1794-1870) und Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-47). Besonders erfolgreich war Clara Wieck 1837 in Berlin und im Winter 1837/38 in Wien. Während aber anlässlich ihrer Erfolge in der preußischen Hauptstadt keine offiziellen Ehrungen überliefert sind, widmete ihr in Wien Franz Grillparzer (1792-1872) das Gedicht “Clara Wieck und Ludwig van Beethoven”, wählte sie die Gesellschaft der Musikfreunde zu ihrem Mitglied, und ernannte sie der österreichische Kaiser zur K. K. Kammervirtuosin. Dies war gegenüber einer “Ausländerin” eine noch nie da gewesene Auszeichnung.

Sie stand bereits auf dem Höhepunkt ihrer künstlerischen Laufbahn, als sie am 12. September 1840, einen Tag vor ihrem 21. Geburtstag, Robert Schumann heiratete und dessen Namen annahm. Wie ihr Vater vermutet hatte, traten nun die Konzertauftritte erst einmal etwas zurück. Sie widmete sich ihrem Mann und der schnell wachsenden Familie: die Schumanns hatten sieben Kinder. Clara versuchte gelegentlich, neben ihren häuslichen Pflichten doch den einen oder anderen Auftritt zu ermöglichen. So gab es im Dezember 1841 ein gemeinsames Konzert mit Franz Liszt (1811-86), mit dem sie dessen technisch außerordentlich schwieriges “Hexameron” spielte und in dem die 2. Sinfonie ihres Mannes Robert ihre Uraufführung erlebte. Im Februar 1842 reiste das Paar nach Hamburg und Bremen. Auch hier standen Schumanns Werke auf dem Programm. Anschließend konzertierte Clara allein in Kopenhagen, vor allem mit Werken Chopins. Am 18. August 1843 führte sie gemeinsam mit Mendelssohn Schumanns “Andante mit Variationen für zwei Klaviere” erstmals öffentlich auf. Ab Frühjahr 1844 fand eine Konzertreise des Ehepaares nach Russland statt, die über Berlin, Königsberg, Mitau, Riga, Dorpat nach St. Petersburg führte. Zu diesem Zeitpunkt war Robert Schumanns Gesundheit bereits angegriffen. Die Anstrengungen der Konzerte und Tourneen trugen mit dazu bei, dass sich ein Gemütsleiden entwickelte, von dem er nicht mehr genesen sollte. Aber noch versuchten die beiden, ihr künstlerisches Leben gemeinsam zu planen und öffentlich aufzutreten. Im Mai 1853 schrieb Clara ihre “Variationen über ein Thema Robert Schumanns”, das sie ihrem Mann zu dessen Geburtstag widmete. 1850 wurde er zum Städtischen Musikdirektor in Düsseldorf ernannt, und die Familie zog in die schöne Stadt am Rhein.

Es war der 30. September 1853, als der damals 20-jährige Johannes Brahms dem Ehepaar Schumann seine Aufwartung machte und seine bis dahin unbekannten Kompositionen vortrug. Clara und Robert, die über ein vorzügliches musikalisches Urteilsvermögen verfügten, waren sofort begeistert. Es entwickelte sich eine künstlerische Freundschaft, die in der deutschen Musikgeschichte ihresgleichen sucht. Fortan spielte Clara Schumann neben den Werken ihres Mannes vor allem die von Brahms, Chopin, Mendelssohn und Beethoven. Sie hat sehr viel dazu beigetragen, die Klavierwerke dieser Komponisten einer breiten nationalen und internationalen Öffentlichkeit vertraut zu machen.

Am 10. Februar 1854 erfuhr die Geisteskrankheit Robert Schumanns eine dramatische Verschlechterung, und nach einem über zweijährigen Aufenthalt in einer Heilanstalt verstarb er am 29. Juli 1856 in Bonn.

Clara Schumann sah sich nun gezwungen, für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung ihrer sieben Kinder allein zu sorgen. 1857 übersiedelte sie nach Berlin zu ihrer Mutter, die von Friedrich Wieck geschieden und seit 1825 wieder verheiratet war. 1863-73 lebte sie in Lichtenthal bei Baden-Baden. Sie unternahm wieder Konzerttourneen, so vor allem nach Österreich-Ungarn, Holland, Belgien und England. Ab 1873 wohnte sie wieder in Berlin, und ab 1878 wurde Clara Schumann auf Anraten von Johannes Brahms Klavierprofessorin am Hoch’schen Konservatorium zu Frankfurt a. M. Neben der Lehrtätigkeit konzertierte sie häufig, zumal ihr das öffentliche Auftreten nach wie vor eine tiefe Befriedigung verschaffte. 1888 beging sie ihr 60-jähriges Künstlerjubiläum. Danach stellten sich Krankheiten ein, unter anderem ein Ohrleiden, das sie zur Aufgabe ihrer Lehrtätigkeit veranlasste. Am 20. Mai 1896 ist Clara Schumann in Frankfurt a. M. verstorben und wurde am 24. Mai unter großer öffentlicher Anteilnahme in der Gruft ihres Mannes auf dem Bonner Friedhof beigesetzt.

Die Bedeutung Clara Schumanns besteht nicht nur in ihrer unvergleichlichen Leistung als Pianistin, sondern auch und vor allem in der Förderung der Werke ihres Mannes sowie derer von Johannes Brahms, Felix Mendelssohn Bartholdy und Frédéric Chopin. Die Kompositionen der Clara Schumann sind solide, wertvolle Arbeiten, die durchaus häufigere Aufführungen verdienten. Wie diese Frau aber ihre Rolle als Künstlerin mit der einer liebenden Ehefrau und Mutter zu verbinden suchte, verdient unsere Bewunderung.

Horst Fliegel



Erschienen in “Berlinische Monatsschrift”, Luisenstädtischer Bildungsverein e. V., Februar 2000